3 Fehler in der Musikproduktion für einen unprofessionellen Mix


3 Fehler in der Musikproduktion, die einen professionellen Mix verhindern - jensmichaelis.com

Viele Bands nehmen ihre Songs inzwischen selbst im Proberaum oder in einem kleinen Homestudio auf. Das funktioniert in der Regel auch ganz gut, wenn sie diese Tipps beim Recording beachten.

 

Doch stoße ich beim Mixdown immer wieder auf die selben drei „Fehler“ im Arrangement oder in der Produktion, die sich später beim Abmischen nicht mehr wirklich reparieren lassen und so einen noch professioneller klingenden Mix schier unmöglich machen:


1. Zu viele Instrumente spielen zu ähnliche Sachen

Das ist ein sehr vielschichtiges Problem…

Unausgewogenes Frequenzspektrum

Das Ziel eines guten Mixes ist eine ausgewogene Verteilung der Instrumente im Frequenzspektrum. Bässe, Mitten und Höhen wollen alle - nach Musikstil variierend - angemessen repräsentiert sein. Im Idealfall sind die Instrumente in einem Arrangement über mehrere Lagen verteilt, so dass sie das gesamte Frequenzspektrum ausfüllen.

Wenn zu viele Instrumente zu ähnliche Sachen in der gleichen Lage spielen, ist der eine Frequenzbereich dieser Instrumente überbetont und in anderen Frequenzbereichen entstehen dann oft Lücken, weil es keine weiteren Instrumente gibt, die die fehlenden Frequenzbereiche ausfüllen.

Außerdem überdecken sich Instrumente mit dem selben Frequenzspektrum gegenseitig, so dass es ganz schwer ist, sie alle „hörbar“ zu mischen.

Unklare Rollenverteilung

In einem Arrangement sollte klar definiert sein, welches Instrument welche Rolle im Song spielt. Laut Bobby Owsinski gibt es in einem Arrangement fünf verschiedene Rollen: Fundament, Rhythmus, Melodie, Pads und Fills. Jedes Instrument, das Ihr in einem Song benutzt, muss klar einer dieser Rollen zuordenbar sein. Aber nicht jede Rolle muss in jedem Song ausgefüllt sein. Bei AC/DC z.B. wird man kaum ein "Pad" finden.

Das Fundament stellen in der Regel Drums und Bass, Rhythmus ist z.B. eine Rhythmus-Gitarre, Melodie ist der Gesang und/oder Instrumental-Hooks, Pads z.B. Rhodes, Streicher oder Synthie-Pads und Fills sind rhythmische oder melodiöse Fills dazwischen.

Nehmen wir mal an, in einem vorliegenden Song gibt es zwei (Lead?-)Gitarren, einen Synthie und mehrere Streicher, die alle irgendwelche „Melodien“ in der selben Lage spielen. Welches Instrument spielt welche Rolle? Welches Instrument ist das „Hauptinstrument“ und soll im Mix dementsprechend betont werden? Eigentlich werden die Instrumente abhängig von der Rolle im Mix anders bearbeitet. Eine dominante Rhythmusgitarre verlangt eine andere Bearbeitung als ein Synthie-Pad, das in den Hintergrund gemischt wird. Auch deswegen sollten die Rollen der Instrumente klar verteilt sein.

Fehlerhafte Komposition

Oft genug sind die einzelnen Instrumente auch harmonisch nicht aufeinander abgestimmt, so dass es tonale Reibungen gibt. Und keine klare Melodieführung.

Und so vermeidet Ihr dieses Problem

  • Überlegt Euch schon beim Songschreiben oder spätestens beim Arrangieren, welches Instrument welche Rolle übernehmen soll. Oft reichen schon ein bis zwei Instrumente pro Rolle. Es müssen auch nicht immer alle Rollen ausgefüllt sein.
  • Wenn Ihr mehrere Instrumente einer Rolle zuordnet, verteilt sie auf verschiedene Lagen. Z.B. spielt eine Akustik-Gitarre den Rhythmus in einer tiefen Lage und eine E-Gitarre spielt den Rhythmus in einer (z.B. eine Oktave) höheren Lage.
  • Bei komplexeren Arrangements könnt Ihr Akkorde auf verschiedene Instrumente verteilen. Es müssen nicht alle Streicher, Synthies und Gitarren alle Töne des gewünschten Akkords spielen, plus Doppelungen. Die Summe der Instrumente ergibt den Akkord. Bestes Beispiel dafür sind klassische Orchester, bei denen die Harmonien auf die verschiedenen Instrumentengruppen aufgeteilt sind.

2. Kick und Bass sind nicht aufeinander abgestimmt

Dieses Problem kann vier Ausprägungen haben:

Undefinierter Bassbereich

Kick und Bass definieren den Bass-Bereich eines Tracks. Genau genommen gibt es zwei Bassbereiche: Den Subbass-Bereich in der ersten Oktave ab dem (theoretisch) tiefsten gespielten Grundton und den Bassbereich eine Oktave darüber. Der Subbassbereich liegt ca. zwischen 30 und 80 Hertz. Beispiel: Bei einem normal gestimmten, viersaitigen Bass liegt der Grundton der E-Saite bei ca. 40 Hertz. Hier könnt Ihr Euch eine Frequenztabelle herunterladen, die die Grundton-Frequenzen der musikalischen Noten aufzeigt.

Der Subbassbereich ist vor allem bei elektronischer Musik wichtig, die in Clubs wiedergegeben wird. Der auch über EarPods hörbare Bassbereich beginnt erst bei ca. 80 Hz und geht bis ca. 200 Hz. Hier spielen weniger die Grundtöne, als vielmehr die Obertöne eines Basssounds eine Rolle.

Eine Faustregel des Arrangierens besagt, dass entweder die Kick oder der Bass den Subbassbereich ausfüllt. Wenn sowohl Kick als auch Bass ihren Grundton im Subbassbereich haben, wird es sehr schwer, die beiden voneinander zu trennen. Außerdem fehlt dann oft der Bass im oberen Bassbereich.

Lange NOten vs. kurze Noten

Nur eines dieser beiden Instrumente sollte „lange“ Noten spielen. Spielt der Bass langklingende Noten und das Kicksample hat auch einen langen Decay, überlagern sich die beiden Instrumente. Das frisst später im Mix zum einen unheimlich viel Energie und somit potentielle Lautstärke (Headroom), zum anderen kommt es schnell zu Dissonanzen, da die Kick ja immer den selben Grundton hat, der Bass aber nicht. Und das führt mich zum nächsten Punkt:

Kick out of tune

Vor allem bei elektronisch erzeugten Kicks, die meistens auf einem Sinuston beruhen, muss die Kick auf den Grundton des Songs gestimmt sein. Sonst gibt es Dissonanzen im Bassbereich. Aber auch akustische Kicks kann man stimmen ;-)

Geschwindigkeit des Songs

Die Geschwindigkeit des Songs bestimmt die mögliche Tiefe des Bassbereichs. Je tiefer der Grundton der Kick oder des Basses, desto länger braucht der Ton, um sich zu entfalten. Je schneller der Song, desto weniger Zeit und Raum haben die tiefen Frequenzen, um sich zu entfalten. Schnelle Songs werden durch viel und/oder tiefen Bass „gebremst“ und verlieren ihren Groove. Balladen hingegen bieten genug Raum für tiefe, tragende Bässe.

Und so vermeidet Ihr das Problem

  • Entscheidet Euch, ob Kick oder Bass den Subbassbereich füllen sollen. Das jeweils andere Instrument wird eine Oktave höher angesiedelt.
  • Überlegt Euch, welches der beiden Instrumente „lange“ Noten spielen soll. Lange Bassnoten = knackige Kick, lange Kick = kurze Bassnoten.
  • Stimmt Eure Bassdrum auf den Grundton des Songs.
  • Je schneller der Song, desto weniger Bassanteil. Je langsamer der Song, desto mehr Platz ist für Bass.

3. Preset-Hall auf allen Samples oder Synthies

Fehlende Dreidimensionalität

Kaum eine Produktion kommt heute ohne gesampelte oder virtuelle Instrumente aus. Egal, ob es „nur“ ein gesampeltes Rhodes ist, ein Drumset oder mehrere Synthies verwendet werden - die Factory Sounds sind meistens schon so produziert, dass sie möglichst fett klingen. Das heißt auch, dass jedes Preset schon seinen eigenen Hall hat. Die Art des Halls und der Anteil des Halls auf den einzelnen Instrumenten bestimmen in einem gelungenen Mix aber die dreidimensionale Größe und Tiefe des Songs. Wenn viele Instrumente schon mit Preset-Hall angeliefert werden, haben wir als Mix-Engineers keine Möglichkeit mehr, den Mix optimal dreidimensional zu gestalten. Denn a) heißt Dreidimensionalität auch, dass es trockene Elemente geben muss, die vorne im Mix platziert werden und b) soll ja auch mehr oder weniger die Illusion geschaffen werden, dass die Instrumente im selben virtuellen Raum spielen. Und zwar in einem Raum, der zum  Song passt.

Beispiel: Ein intimer Singer-Songwriter-Track mit „Wohnzimmer-Athmosphäre“ wird mit einem Streichersample angeliefert, dass einen „Konzerthall“ beinhaltet. Wie soll das zusammenpassen?

Und so vermeidet Ihr dieses Problem

  • Wenn Ihr die Einzelspuren exportiert oder bounced, mutet in den Samplern oder Softwaresynthies den Hall. Außer es ist ein ganz spezieller oder kreativer Hall, der wesentlich zur Besonderheit des Klangs beiträgt. Bei E-Gitarren ist es z.B. üblich, den Federhall aus dem Amp mit aufzunehmen.

Wenn Ihr diese Tipps beim Arrangieren und Produzieren Eurer Songs beachtet, werden sie nach dem Mixdown noch professioneller klingen!

Gerne höre ich mir Eure Arrangement-Ideen VOR der Aufnahme mal an und gebe Euch ggf. Hinweise, an welchen Stellen Ihr das Arrangement noch optimieren könnt. Meldet Euch einfach!


Kommentare: 2
  • #2

    Ado (Dienstag, 22 Januar 2019 12:53)

    Danke für die Informationen. Und das kostenlos!

  • #1

    Robert (Mittwoch, 08 Februar 2017 20:18)

    Cool, cool und nochmals cool! Danke für diese wertvollen Tips aus Mischer-Sicht!